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Der arbeitende Mensch

Tobias Obermeier
Tobias Obermeier

Fünf Filme aus dem Programm, die sich mit dem Thema Arbeit beschäftigen.

Der arbeitende Mensch

Nichts bestimmt unser Leben so sehr wie die Arbeit, die wir verrichten. Sie sorgt nicht nur für eine (gerechte) Entlohnung, mit der wir unseren Lebensunterhalt bestreiten, sondern sie ist im besten Fall auch sinnstiftend. Dabei bedeutet Arbeit immer auch die Arbeit mit anderen Menschen. Das diesjährige Filmprogramm wirft Perspektiven auf diese Thematik, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Während die einen in ihrer Not zu äußerst kreativen Methoden des Gelderwerbs greifen, offenbart sich in der Arbeit anderer ein moralischer Konflikt, der nur schwer auszuhalten ist.

Letzteres trifft zweifellos auf die Arbeit von Rim, einer tunesischen Dolmetscherin, zu, die in Frankreich bei Asylverfahren übersetzt. Täglich erlebt sie, wie unbedachte Antworten auf skeptische Rückfragen die Zukunftshoffnungen von Geflüchteten begraben können. Während für die Sachbearbeiterin jeder Asylantrag nur einen weiteren Aktenstoß darstellt, der abgearbeitet werden muss, bündeln sich für Geflüchtete darin alle Hoffnungen auf ein würdevolles Leben. Rim sitzt dabei zwischen den Stühlen. Mit einer eigenen Fluchterfahrung im Gepäck weiß sie, was die richtigen Antworten sind. Doch als Dolmetscherin leiht sie den Betroffenen nur ihre Stimme. In das Gespräch einzugreifen ist ihr untersagt. Der Film THE VOICE OF OTHERS (Programm 9) von Fatima Kaci zeigt eindrücklich, wie die bürokratische Härte Menschen in ihrer moralischen Ausrichtung nach und nach zugrunde richten kann.

The Voice Of Others Online1

THE VOICE OF OTHERS

Cadaver Online1

Cadáver

Ebenfalls einen Blick auf das Thema Flucht und Arbeit wirft der Dokumentarfilm CADÁVER (Programm 5) von Benjamin Kodboel. Der Regisseur porträtiert darin das Leben von Martín, der als Bestatter in der andalusischen Hafenstadt Algeciras arbeitet. Er identifiziert die Toten, die beim Versuch ums Leben gekommen sind, die wenige Kilometer breite Straße von Gibraltar zu überqueren, informiert die Angehörigen und bereitet den Verstorbenen eine würdevolle Beisetzung. Eigentlich ist Martín ein lebensbejahender Mensch, doch seine Arbeit hinterlässt auch bei ihm ihre Spuren. Nicht zuletzt zeigt sich ein kaum auszuhaltender Widerspruch in seiner Tätigkeit. Die Arbeit und somit sein Verdienst sind bestimmt von der tagtäglichen Tragödie im Massengrab Mittelmeer. Denn wer kümmert sich um die Leichname der Ertrunkenen, wenn nicht er?

Prostitution ist Arbeit. Darauf weist die mittlerweile gängigere Bezeichnung Sexarbeit unmissverständlich hin. Eine Form von Dienstleistung, die viele in ihrem Wunsch nach körperlicher Nähe und sexueller Befriedigung in Anspruch nehmen. So wie Catalina in BORROWED HANDS (Programm 9) von Adrián Monroy Molina. Die junge Frau hat Cerebralparese, eine komplexe Bewegungsbehinderung, und ist deshalb auf einen Rollstuhl angewiesen. Um ihre ersten sexuellen Erfahrungen zu machen, sucht sie eine Sexarbeiterin auf. Doch die Nacht verläuft zunächst nicht so wie erhofft. Erst als die beiden beschließen, sich in das Nachtleben der Stadt zu stürzen, entwickelt sich eine unerwartet intensive Beziehung zwischen ihnen.

Borrowed Hands Online1

Borrowed hands

Devil Online1

Devil

Entbehrungsreiche Zeiten bedürfen kreativen Einfällen. Davon zeugt der polnische Filme DEVIL (Programm 4) von Jan Bujnowski. In den 1990ern, darauf weist der Vorspann hin, leidet das streng katholische Land an einer hohen Arbeitslosigkeit. Ein namenloser junger Mann hat in der Krise ein lukratives Geschäftsmodel der etwas anderen Art entwickelt: Verkleidet als Teufel zieht er durch die Provinz und zieht strenggläubigen Rentner:innen das Geld aus der Tasche, indem er ihnen durch die Zahlung eines Obolus ihre Sünden erlässt. Doch der findige Geschäftsmann droht sich eines Tages bei einer Witwe die Zähne auszubeißen.

Wie schnell man im Beruf „entsorgt“ werden kann, spürt in THE FUSE (Programm 10) von Kevin Haefelin der schon etwas betagte Cassius am eigenen Leib. Er arbeitet als Müllmann im New Yorker Stadtteil Bronx. Während einer seiner Nachtschichten wird er unerwartet entlassen. Ohne soziale Absicherung und konfrontiert mit der Angst, obdachlos zu werden, will er seinem Leben ein Ende setzen. Wäre da nicht eine defekte Sicherung, die seine Pläne durchkreuzt. Die Suche nach einer neuen führt ihn auf eine kleine Odyssee durch die Straßen der nächtlichen Großstadt, auf der er am Ende seine ganz eigene Wahrheit findet.

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